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Heilig Abend in einer Kneipe in Chicago

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Berthold Brecht war ein genialer Schriftsteller, der vielen unbequem war und der die Menschen herausforderte. Er hat eine Geschichte zum Heiligen Abend geschrieben, die in einer phantastischen und bewegenden Aussage endet.
Sie erzählt von einem Heiligabend in einer Kneipe in Chicago.
Der Wirt & die Gäste wollen keine sentimentalen Gefühle aufkom-men lassen & so machen die wenigen Gäste sich gegenseitig bos-hafte Geschenke. Die Geschichte heißt: Das Paket des lieben Gottes.

Die Veranstaltung nahm einen direkt bösartigen Charakter an.

Ich denke, es war der Zwang, sich beschenken lassen zu müssen, der alle so aufreizte. Die Spender dieser Weihnachtsstimmung wurden nicht mit freundlichen Augen betrachtet.
Schon nach den ersten Gläsern des gestifteten Whiskys, wurde der Plan gefaßt, eine regelrechte Weihnachtsbescherung sozusagen, ein Unternehmen größeren Stils, vorzunehmen.
Da ein Überfluss an Geschenkartikeln nicht vorhanden war, wollte man sich weniger an direkt wertvolle & mehr solche Geschenke halten, die für die zu Beschenkenden passend waren & vielleicht sogar einen tieferen Sinn hätten. So schenkten wir dem Wirt einen Kübel mit schmutzigem Schneewasser von draußen, wo es davon genug gab, damit er mit sein alter Whisky noch ins neue Jahr ausreichte. Dem Kellner schenkten wir eine alte Konservenbüchse, damit er wenigstens ein anständiges Servicestück hätte. Dem zum Lokal gehörenden Mädchen gaben wir ein schartiges Taschenmesser, damit sie die Schicht Puder vom alten Jahr abkratzen könnte. Alle die Geschenke wurden von den Anwesenden, …. ausgenommen dieBeschenkten selbst, …mit herausforderndem Beifall bedacht. Und dann kam der Hauptspaß. Es war nämlich da unter uns ein Mann, der mußte einen schwachen Punkt haben. Er saß jeden Abend da, & Leute, die

sich auf dergleichen verstanden, glaubten mit Sicherheit behaupten zu können, daß er, …so gleichgültig, wie er sich auch geben mochte,… eine un-überwindliche Scheu vor allem hatte, was mit der Polizei zusam-menhing. Jeder konnte sehen, daß er in keiner guten Haut steckte. Für diesen Mann dachten wir uns etwas ganz besonderes aus. Aus einem alten Adressbuch rissen wir mit Erlaubnis des Wirtes drei Seiten aus, auf denen lauter Polizeiwachen standen, schlugen sie sorgfältig in eine Zeitung & überreichten das Paket unserem Mann. Es trat eine große Stille ein, als wir es überreichten. Der Mann nahm das Paket zögernd in die Hand und sah uns mit einem etwas kalkigen Lächeln von unten herauf an. Ich merkte, wie er mit den Fingern das Paket anfühlte um schon vor dem Öffnen festzustellen, was darin sein könnte. Aber dann machte er es rasch auf. Und nun geschah etwas sehr Merkwürdiges. Der Mann nestelte eben an der Schnur mit der das Geschenk verschnürt war, als sein Blick, scheinbar abwesend auf das Zeitungsblatt fiel, in das die interessanten Adressbuchblätter eingewickelt waren. Aber da war sein Blick schon nicht mehr abwesend. Sein ganzer dünner Körper, er war sehr lang, krümmte sich sozusagen um das Zeitungsblatt zusammen. Er bückte sein Gesicht t i e f darauf herunter & las. Niemals, weder vorher noch nachher, habe ich je einen Menschen so lesen sehen. Er verschlang das, was er las, einfach. Und dann schaute er auf. ICH habe >weder vor- noch nachher< einen Mann so strahlend schauen sehen, wie ihn:
„Da lese ich eben in der Zeitung,“ sagte er mit einer verrosteten, mühsam ruhigen Stimme, die in lächerlichem Gegensatz zu seinem strahlenden Gesicht stand, „daß die ganze Sache einfach schon aufgeklärt ist. Jedermann in Ohio weiß, daß ich mit der ganzen Sache nicht das Geringste zu tun hatte.“
U n d d a n n l a c h t e e r. Und wir alle, die erstaunt dabei standen und etwas ganz anderes erwartet hatten und fast nur begriffen, daß der Mann unter irgendeiner Beschuldigung gestanden & inzwischen, wie er eben aus dieser Zeitung erfahren hatte, rehabilitiert worden war, fingen plötzlich an, aus vollem Halse und fast aus den Herzen mitzulachen und dadurch kam ein großartiger Schwung in unsere Veranstaltung. Die gewisse Bitterkeit war überhaupt vergessen und es wurde ein ausgezeichnetes Weihnachten, das bis zum Morgen dauerte und alle befriedigte. Und bei dieser allgemeinen Befriedigung spielte es natürlich gar keine Rolle, daß dieses Zeitungsblatt nicht wir ausgesucht hatten, sondern Gott!
WIE SCHRIEB BRECHT? Ich habe weder vor- noch nachher, einen Mann so strahlend schauen sehen, wie diesen Mann: Die gewisse Bitterkeit war überhaupt vergessen und es wurde ein ausgezeich-netes Weihnachten! Wissen sie, genau darum geht es zu Weihnacht, KAUM ZU FASSEN, SCHULD ERLASSEN! Nicht wir haben uns die Vergebung ausgesucht, sondern Gott! KAUM ZU FASSEN, SCHULD ERLASSEN! In unserem Fall geht es nicht um eine falsche Anklage sondern um unsere Schuld und das Geschenk der Vergebung. Christ ist erschienen, uns zu versöhnen, freue dich o Christenheit! Ein Psychiater meinte: Wenn ich Sünden vergeben könnte, könnte ich die Hälfte meiner Patienten entlassen! Eine gute Einsicht – und darum verweise ich auf diese zentrale Aussage von Weihnachten. Denn allein darum geht es: Kaum zu fassen, Schuld erlaßen Christ ist erschienen, uns zu versöhnen, freue dich o Christenheit !

S. Regörk